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Acht mal in Folge Furka

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Auch im August 2009 durfte ich wieder nach Serres la Bâtie in Südfrankreich, um von dort aus schöne Segelflüge zu unternehmen.

Irgendwie ergab sich vom 13.08. an eine Serie von reinen Thermiktagen, die jedesmal dazu verleiteten, den Furka zu  besuchen. Es war keine Groß-
wetterlage, die sich anbot. Viel
mehr gelang es mitunter nur in Wetterschneisen, den unstill-
baren Drang Richtung Norden und Nordosten zu befriedigen. Wetterschneisen, an denen ich manchmal das durchaus erkennbare Schild  Einbahnstrasse
ignorierte.  

Hier ein Segelflugabenteuer, das nicht jeden Tag von Serres aus und nicht immer mit meiner Lucy (LS8a-15m) gestartet wurde.

 

Die Flüge waren hintereinander von Donnerstag, dem 13. August 2009 bis Donnertag, den 20. August geflogen worden.

 

1. Tag, Donnerstag 13.8.09         IGC-Downlaod oder Online Contest (OLC)

Acht Mal Furka, das muss einfach dokumentiert werden! Schließlich habe ich sowas in den 20 Jahren, die ich nun regelmäßig nach Südfrankreich fahre, noch nicht erlebt: Charterähnlich im Segelflug zum Furka Pass, als wäre er die Sehenswürdigkeit, die man sich eben anschaut, wenn man von Serres aus im Segelflug die Alpen besichtigt, obgleich er doch immerhin rund 330km weit entfernt ist. So manche hohe Berge und Pässe lassen die gefühlte Entfernung leicht auf 500km ansteigen, mit dem Auto sind es 540km.


Kleines Matterhorn -BildBild: Blick ins Goms (oberes Wallis)
Am kaum zu erkennenden Pfeil (vom Aufnahmepunkt sind es immerhin noch ca 30km)  ist eine Wettergrenze, der Furka -Pass. Selbst bei gutem Thermikwetter ist er oft das Weiteste, das man von Südfrankreich aus mit dem Segelflugzeug machen kann. Bei Welle geht schon mal mehr (Aufnahme: 15.08.09 , von Sepp oder Ralf).



Es war ein ganz normaler Tag in Serres mit Schlepp zur Aiguille. Diese Wand westlich vom Platz ist sicher der beste Ausklinkpunkt bei Thermiklage, was mir in dieser Deutlichkeit erst durch  Herbert Weiß im April 2007 klar wurde, der sich eigentlich immer dorthin schleppen lies... und immer über den Grat. So manches Mal versuchte ich es tiefer, aber es kostet viel Zeit und noch mehr Nerven, falls man vor hat, früh zu starten.     Es lief unkompliziert. Die Querung des Dragtales zwischen Pic de Bure und dem großen Massiv der Ecrins war an diesem Tag nicht schwierig und so ging es zügig in die hohen Berge nach Osten. Fünf km nördlich des Pas de la Cavale erreichte man schon 3900m. Der Plan war Nordkurs, um die Route über die Trois Vallées offen zu halten. Ein merkwürdiges, irgendwie undefiniertes Blaugrau versperrte allerdings den Weg dorthin, so dass auf der Nordseite der Maurienne der Kurs nach rechts zum Col du Carro als die richtige Wahl identifiziert werden konnte. Vielleicht wäre es auch direkt gegangen, aber es ist schon lästig, wenn man in der Region des großen Skigebietes La Plagne nicht richtig vorankommt. Die Landemöglichkeiten sind spärlich bis nicht vorhanden, so dass man sich recht bald zum Abflug nach Westen Richtung Flugplatz Albertville entscheiden muss. Es ist nicht nur dem geplanten Kurs völlig entgegengesetzt, im Sommer ist es auch der "sichere" Weg zur Landung, denn hungergeplagte Sommerinversionen stürzen sich dort auf jedes Thermikbläschen und fressen es erbarmungslos noch an Ort und Stelle auf. Sommerinversionen wirtschaften eben nicht nachhaltig. Sie fressen auch die kleinsten Thermikansätze! In Folge bricht die Nahrungskette zusammen und auch Segelflugzeuge als direkte Nahrungskonkurrenten müssen dann landen. In bis heute von mir noch nicht veröffentlichen Forschungsergebnissen mit einer Vielzahl von Testflügen von besten Thermiklocations aus in diese Inversionen hinein, konnte ich das beschriebene Verhalten von Sommerinversionen verifizieren. Mit roher Gewalt schafften diese es schon mehrmals, Lucy an den Boden zu zwingen. Inversionen zerstören auch die Thermik für Adler und Geier. Und das tun sie, obgleich diese unter Schutz stehenden Großvögel gerade jetzt im Sommer wegen der Aufzucht ihrer Jungvögel am Ende ihrer Kräfte sind. Ich bin mir sicher, dass der hochmotivierte und immer für überraschende Regelungen sorgende Europäische Bürokratieapparat in Kürze Inversionen aller Art zum Schutze von Großvögeln verbieten wird. In Folge wird Frankreich um die Einführung nationaler Gesetze zum Verbot von Inversionen aller Art nicht mehr herumkommen. So gehe ich davon aus, dass wir ab Sommer 2018 auch zwischen Grenoble und Albertville bestens mit Thermik versorgt nach Serres werden fliegen können.


Dies bedenkend, habe ich mich dort also nicht blicken lassen und flog stattdessen über den Col de Iseran bei Val d´Isère,  am Grand Paradiso vorbei genau über Aosta hinweg nach Norden. Die Aostatalquerung war unproblematisch und westlich des Lago Place Moulin im Obertal des Valpelline traf ich die doppelsitzige DG1000 von den Mannheimern mit Lutz Heydecke, der auch von Serres aus gestartet war. 

Kleines Matterhorn -Bild

Bild: Teile des Lago Place Moulin (der See hat ein Länge von gut 3km.  Ca. 12km nach links das Tal hinauf geht es zum Matterhorn)


Wir kreisten  zusammen auf sagenhafte 4400m, meine bislang höchste Thermikbasis. Lutz entschied sich hier für den Weg zurück nach Süden. Mit einer Abflughöhe von viervier am Ende des Valpelline gibt es für mich keine Alternative: Nach Nordosten Richtung Matterhorn musste es weitergehen denn: Der Furka ruft...  mich jedenfalls andauernd. So wie manche einen Tinitus im Ohr haben, höre ich selbst von Serres aus den Lockruf des Furka... wo auch immer ich bin: Er ruft! Für den, der den Lockruf des Furka nicht kennt: Es klingt wohl ungefähr so, wie der unwiderstehliche Gesang der Sirenen in Odysseus' Reisen. Hier ein Auszug:

Zunächst mussten sie [Odysseus mit seiner Mannschaft auf dem Schiff] an der Insel der Sirenen vorbei. Dort lebten Nymphen, halb Vogel, halb Mensch, die mit ihrem Gesang jeden Vorbeifahrenden verzauberten. Doch wer sich einmal durch den lieblichen Gesang zu ihnen herüberlocken ließ, der war verloren und musste sterben. So durch Kirke gewarnt, verklebte Odysseus seinen Gefährten mit Wachs die Ohren sobald sie sich der Insel näherten. Ihn selbst jedoch trieb die Neugierde, das Lied der Sirenen zu hören. Und so ließ er sich an den Mastbaum binden und befahl ihnen, egal wie er auch bitten und flehen möge, ihn nicht eher zu befreien, bis sie an der Insel vorbeigesegelt wären.    Und in der Tat war der Gesang so lieblich und so zauberhaft, dass Odysseus seine Gefährten anflehte, ihn loszubinden. Doch diese lösten nach seinem Geheiß erst die Fesseln als die Sirenen längst hinter ihnen lagen. (die Qdysse hier)

Aber nun weiter, raus aus dem Valpelline. Ein kleiner Schlenker zur Gipfelstation des kleinen Matterhorns und weiter geht es am Dom und Simplonpass vorbei zum oberen Wallis

Kleines Matterhorn -Bild
Bild: Kleines Matterhorn, Blick nach Südosten

Im Wallis war das Wetter deutlich schlechter, Basis und Steigwerte hatten sich wohl abgesprochen: Sie sanken beide! Zudem war dem Wetter von dem unversöhnlichen Blaugrau aus der Region der Trois Vallées hier inzwischen auch noch das versöhnlichere Blau abhanden gekommen. Auf der Südseite ging nichts mehr. Wenn man dem Gesang der Sirenen näher kommen wollte, oder wie ich, näher kommen musste, war die Querung zur wenig einladenden Nordseite Pflicht. Ich kam etwa 5km talauswärts von Münster Flugplatz in 2200m Höhe an. Das ist dort nicht wirklich üppig und zum Beweis schwebte ein Segelflugzeug gerade auf die Landebahn ein. Dieses Ereignis in Verbindung mit kristallklarer Perspektivlosigkeit motivierte unheimlich, satte 17 Minuten in einem halben Meter/Sekunde Höhengewinn auszuharren. Nun, in 2800m flog ich gezwungenermaßen weiter gen Furka, denn die lockrufenden Sirenen hatten leider keine Mittagspause. So ging es noch einige Minuten talaufwärts, hinunter auf 2550m bis kurz hinter Münster während das Tal gleichzeitig ansteigt. Plötzlich und unerklärlich verstummten die Lieder der Sirenen. Ich nutzte die Gelegenheit, den unwiderstehlichen Fängen der Weiblichkeit zu entfliehen, drehte unverzüglich um und flog talauswärts ohne einen Blick zurück, so wie es in den wirklich großen Western auch gemacht wird: Knallhart und kompromisslos. 25 km glitt ich mit Lucy in bedächtigem Tempo, denn Schnellflug war in Ermangelung an Optionen und Höhe leider nicht erlaubt. Wir flogen talauswärts bis wir weit genug entfernt vom Furka waren und dabei gleichzeitig so "beruhigend" tief kamen, so dass ich annahm, die Sirenen würden mich hier nicht mehr zum Umdrehen zwingen. Mit Thermik durfte man nicht mehr rechnen. Das Walliswetter war kaputt aber der Wind in 2000m stark.(OLC-Kommentar zu dem Tag von Walther Regelsberger, DG800: "Nur Masochisten taten sich heute das Wallis an (oder Kai wie siehst Du das?), ich brauchte das nur 20 km, dann war ich's leid").  Der Wind ließ hoffen, dass entweder die Störung mit Gewalt herein- und damit Windenergie in das Tal kam, oder das  Brisensystem vor der Störung noch in Bewegung gesetzt worden war. Der Fuß des auf der Südseite des Wallis beheimateten Bettlihornes ist bei Brise sicher, ein typischer Prallhang. So flog ich wieder auf die Südseite und am Hang ging es in Schleifen hinauf auf wohlige 2900m. Der Furka sang nicht mehr, er rechnete wohl nicht mehr mit Segelflugzeugen in der Luft, für die sich der Lockruf noch lohnen würde. So ging's weiter zum Ochsenhorn, das am Hang auch gut funktioniert. Man sollte hier nach Möglichkeit nicht unter 3000m abfliegen, da der Einstieg ins Mattertal nicht immer einfach ist. Operation Mattertal dauerte 30 Minuten, dann war der Weg nach Aosta wieder frei. Das gesamte Aostatal ging nicht mehr lässig, aber es war noch genug Restwärme an den Berghängen, die den Nachhauseflug ermöglichten. Kurz vor acht war der Tag an den Les Trois Évêchés de Parcour zu Ende. Mit 3400m ist es von hier ein Kinderspiel, die gut 60 km westwärts nach Serres zurück zu fliegen. 

Es war ein toller Tag mit freiem Blick auf den Furka!  Zum nächsten Tag