8xFurka

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7. Tag

 

Dienstag 19.8.09         IGC-Downlaod oder Oline Contest (OLC)

Schon am Abend vorher hat Claus-Dieter Zink die späten Starts um 12:00 bemängelt, es sei viel zu schade so viel Zeit zu verschwenden. Das hat er auch so gemeint, denn während ich noch überlege, welche Milch im Gemeinschaftskühlschrank die meine sei, brummt die Schleppmaschine schon über die Bahn, Claus-Dieter hinten dran. Das gibt's doch gar nicht... so was macht mich kirre. Ich greife mir irgendeine Milch, und esse das Müsli im Stehen, um zu sehen, wie es ihm ergeht. An der Aiguille klingt er um 09:45 aus und steigt sofort weiter. Er will heute mal richtig über Land fliegen, und das kann er gut. Obwohl anfänglich blau, ist die Thermik schon recht brauchbar und so ist er mit seinem alten Mistral-C heute mal ohne Kamera in gutem Tempo unterwegs zum Wallis. Kurz vor 12:00 bin ich auch endlich soweit, die in den letzten Tagen zum Normalfall gewordene Strecke Furka und zurück in Angriff zu nehmen. Aber es geht nicht. Irgendwie will es einfach nicht recht hoch gehen. Erst eine dreiviertel Stunde kann man endlich am Col de Cabre auf 2200m steigen, was ich nutze, um Richtung Col de la Croix Haute die weit und breit einzige, aber gut entwickelte Wolke zu versuchen. Tief komme ich an, aber sie geht prima mit 2,4 m/s von 1800m auf 3500m, endlich eine Stunde nach dem Start geht's los. Nun rennt es. Nach 2 Stunden bin ich 230km weiter tief im Wallis gerade an Sion vorbei. Von Claus-Dieter höre ich über Funk, dass er bereits auf der Nordseite des Wallis ist, auf dem Weg zum Furka, etwa bei Raron. Ich rate ihm umzukehren, da schon meine erste Wolke vor dem Col de la Croix Haute eine beeindruckende Größe hatte und überall im Süden kräftige Gewitter angekündigt sind. Ich kann ihn überzeugen, CD wendet. Er erzählte mir mal, dass er trotz  der vielen Überlandflüge seine Außenlandungen an einer Hand abzählen könne. Da ich Wasser getanke habe und das modernere Flugzeug fliege, geht es für mich weiter. Bei Münster, kurz vor dem Furka, wird mir das ganze nicht mehr geheuer und drehe ebenfalls. Inzwischen unterhalten sich Gundolf aus Hamburg  in seiner ASW15, der eine Weile nach mir startete, und CD:

"Gundolf, wo steckt du?"

"Jo, hier Gundolf, wer ruft denn da?"

"Hier ist CD, Position, Höhe und Wetter bitte!"

"Jo, hallo Claus-Dieter. Ich bin am 3930m hohen Tre-La-Tete kurz vorm Mont Blanc in 3730m, aber hier geht das gaanich mehr soo gut!"

Noch zu weit weg, kann ich die Situation leider nicht überblicken, aber Gundolf pienzt nicht. Das wird wohl stimmen, was ich über den Äther vernehmen muss, wenn's auch nicht für mich bestimt ist. Die Wolken auf der Nordseite des Wallis werden groß und unübersichtlich, auf der Südseite, zu der ich soeben wechselte, geht es noch gut. Am Grand Combin geht es auf beruhigende 4200m. Richtung Heimweg wird es irgendwie dunkler. 40 Minuten später als Gundolf bin auch ich wieder am Mont Blanc. Kurz vorher ging's bis auf 4500m, höher war ich thermisch noch nie, klasse... aber irgendwie wird's dunkler Richtung Heimat nach Süden. Im Isère Tal hat es nun schon 8/8, die Maurienne ist zu, alles grau in grau, nach Osten Richtung Flugplatz Solliere regnet es stark, nach Süden lassen sich die Wolken hängen, es ist nicht mehr wie vor zwei Stunden, als die Wolken noch im Wettstreit miteinander standen, wer denn nun die schönste sei. Sie hatten die Motivation verloren und hingen tief und kraftlos in der Gegend rum, depressiv und jederzeit muss man damit rechnen, dass sie ihre Beherrschung verlören und sich mal so richtig ausheulen würden. Die letzen Thermikfetzen hängen am Col d´Madeleine herum. Hier braucht man Höhe, sonst reicht es nirgendwo hin, außer direkt nach Albertville und da wird nicht geschleppt und der Zug fährt nur zweimal am Tag. Mit etwas Geduld kommen wir, CD und ich, hier nochmal auf 3800m. Über Funk hatten wir uns zusammengequasselt. Gundolf ist auch irgendwie hier, aber nicht auffindbar. Wir fliegen los, mit bestem Gleiten Richtung Grenoble, da kann man landen und es ist die einzig noch befliegbare Ecke. Grau in grau und dunkel fliegen wir zwischen und um die Wolken herum, gelegentliches Regengeprassel sorgt bei dem trostlosen Blick hin und wieder für Abwechslung ;-(  Nach 30 Kilometern kann man westlich der Chartreuse eine aktive Wolke erkennen. Ein schwarzer Raucher in der Ferne - so wirkt es - nicht sehr groß, aber aktiv. Er scheint für den zugelaufenen Himmel verantwortlich zu sein. "Das kann man  schaffen, wenn der Regen es zuläßt" denke ich . Inzwischen bin ich CD davongeflogen, der Leistungsunterschied zwischen Mistral und Wasser-LS8 ist zu groß. Tatsächlich nimmt der Regen ab, es nieselt momentan vor sich hin. So komme ich in 2300m an und es zieht super. Von der großen Stadt Grenoble her scheinen die Luftmassen dorthin angesaugt zu werden.

"Bis du schon drüben Kai?" 

"Ja und es geht hier gut!"

"Ok, ich versuch's"

Matterhorn

Bild: Blick auf Grenoble. Blick von Südost nach Nordwest 

Dies könnte ein Bild sein, kurz bevor ein Unwetter über Grenoble aufzieht. Direkt hinter dem Bergrücken rechts von Grenoble stand der "Raucher", der uns den letzten Lift gab, bevor wir in Aubenasson ankamen.  Links von Grenoble ist das Massiv des Vercors, das mit seinen Ausläufern 65km nach Süden bis nach Aubenasson reicht. 15km in Flugrichtung erreicht man den beliebten Skiort l'Alpe d'Huez  Das Bild ist von 2004 und mit deutlich besserm Wetter als wir es an diesem Tag vorfanden.



CD kommt ein paar Minuten später und deutlich tiefer an. Er hat Anschluss. Nach einer weiteren viertel Stunde sieht man jemanden, seinen Segler von Grenoble her in die Berge hinein zu tragen, zum Fliegen sieht es viel zu tief aus. Es ist Gundolf, der nach geraumer Zeit auch Anschluss findet. In 3400m ist Schluss, es regnet inzwischen an einigen Stellen des Schlotes heraus. 

"Ich fliege mal ein paar Kilometer Richtung Gap, Claus-Dieter und sondiere die Lage, wenn es zu stark regnet, komme ich wieder zurück."

"Wir machen noch Höhe!"

Also los geht's, es klappt 27 km lang, dann wird der Regen zu stark, 80km bis Gap in 2900m bei starkem Regen, das kann nicht klappen. Trotz der Breite des südlichen Drag-Tales ist es doch ziemlich schwer zu belanden und bei Starkregen ist eine ordentliche Landung hier reiner Zufall. Also zurück.

Ich beeile mich zur alten Stelle zu kommen in der Hoffnung, den einzigen Thermikschlauch weit und breit noch aktiv vor zu finden. Zwanzig Minuten später bei Gundolf und CD angekommen, regnet die Wolke an den meisten Stellen, so wie in der ganzen Gegend eh' schon, aber noch immer wird der Raucher von Grenoble her gespeist. Der Weg über das Drag Tal ist inzwischen zu, über dem Vercor tobt ein großes angsteinflößendes Gewitter. Wir nehmen den Weg Richtung Rhonetal viel weiter gen Westen als es der Kurs nach Hause vorschreibt, entlang der Westseite des Gewitters, jeder für sich. Ich fliege dicht am Kern entlang, die Blitze stehen wie Wächter vor dem Gewitterkern und lassen niemanden in seine Nähe. 

"Kai von Gundolf, wo steckst du ?"

"Über dem Vercors, hart am Kern des Gewitters. Es ist sehr böig und es regnet hin und wieder, leider kein Steigen! Wo steckst du?"

"Am Westrand des Vercors, tief, sehr tief.... und muss wohl landen!"

"Viel Glück, ich weiß auch noch nicht, wie das hier ausgeht."

Entlang des Gewitters ist es sehr bockig. Der starke Wind kommt von Süden und versucht Claus-Dieter, der sich für dieselbe Strategie entschied, und mir den Flug zum Segelflugplatz Aubenasson noch zu vereiteln. Überall kracht und blitzt es um uns herum, nur eine kleine Gasse nach Süden ist frei. Vom Hochplateau des Vercors muss man flach abfallende Täler gegen den Wind herausfliegen, bevor man den Flugplatz erreicht. Vorsicht ist geboten,  die Höhenreserven reichen weder für einen Fehler noch für ein Lee, die Landung auf einem Acker wäre dann sicher nicht zu vermeiden, aber sicher nicht sicher. Ein winziger Hang, auf den schräg der Wind pfeift, gönnt mir fünf Minuten zum Ausharren und Nachdenken, nach Aubenasson reicht es kaum. Plötzlich geht eine Böenwalze über ihn hinweg und der Aufwind bricht zusammen. Jetzt oder nie, es muss versucht werden! So fliege ich das lange flache Tal nach Süden und - good luck - es reicht zum 15 Kilometer entfernten Fluplatz. Zwanzig Minuten später höre ich CD im Funk, auch er hat es geschafft. Langsam wird mir klar, warum er mit so wenig Außenlandungen durch sein langes Segelfliegerleben gekommen ist. Wir versuchen noch eine halbe Stunde an den immer noch angeblasenen Hängen in der Nähe zu parken, bis wir vielleicht doch noch einen Trick nach Osten finden, aber vergebens. Das hier inzwischen abgeregnete Gewitter hat jede Hoffnung auf Heimkehr zerstört. So landen wir in Aubenasson und sind dort herzlich willkommen.

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Nach einem netten Abendessen mit Claus-Dieter in dem etwa 6km entfernten touristischen Örtchen Aubenasson fuhren wir im Auto, das uns die Flugplatzfamilie völlig unkompliziert geliehen hatte, zurück zum Flugplatz. Sie mussten ja nicht befürchten, dass wir das Auto stehlen würden, schließlich sind wir Segelflieger. Außerdem kämen wir sowieso nicht weit, denn schon auf dem Weg hin zum Pizza-Örtchen zeigte die Tankanzeige NullKommaNull an und das war ernst zu nehmen, versicherte uns der 85-jährige Flugplatzchef. So glitten wir ein zweites mal mit letzten Energiereserven denselben Koordinaten entgegen.

Wir kamen sogar noch die steile Anfahrt zum Anwesen hinauf. Nun stand dem wohlverdienten Schlaf nichts mehr im Wege. Wir sprachen noch eine ganze Weile im stockfinsteren und sehr gemütlichen Zimmer über dieses wunderbare Hobby... in Ermangelung freier Zimmer schliefen wir nämlich im selben Bett :-)

Zum nächsten Tag